Bericht zum 3. AG-Workshop „Interface-Geschichten“, 24./25. Mai 2018 (Paderborn)

Der gemeinsam von den AGs Interfaces und Mediengeschichte am 24. und 25. Mai 2018 an der Universität Paderborn veranstaltete Workshop „Interface-Geschichten“ fragte in doppelter Hinsicht nach dem Verhältnis von Interfaces und Geschichte: Zum einen wurde die Temporalität und Historizität von Interfaces verhandelt, zum anderen die Frage adressiert, wie Interfaces selbst an der Verfertigung von Geschichte(n) mitwirken.

Zum ersten Fragekomplex wurden wiederum sehr unterschiedliche Zugänge gewählt. Jan Distelmeyer (Potsdam) identifizierte durch vergleichende Interface-Analysen das Verschwinden und Wiederauftauchen einer zugänglichen Dateistruktur in verschiedenen Iterationen von Apples iOS-Betriebssystem als Symptom einer Verschiebung von einer objekt- zu einer prozessorientierten Interaktion mit mobilen Endgeräten, die zugleich eine Mythisierung des Digitalen als „das, was läuft“ anzeigt. Timo Schemer-Reinhard (Siegen) präsentierte eine alternative Geschichte der HCI, indem er jenseits der in populären technikhistorischen Abhandlungen immer noch dominanten Erfindergeschichten eine Genealogie des Spiels stark machte, welches gleichzeitig als Experimentalraum und als Verbreitungsmedium für Interfaces fungiert habe, die dem Paradigma der direkten Manipulation folgen. Christoph Borbach (Siegen) wiederum konzentrierte sich in seinem Beitrag auf akustische Interfaces der maritimen Navigation zu Beginn des 20. Jahrhunderts, womit sich ein weiteres Gegennarrativ zur üblicherweise auf Screens fokussierten Historiographie von Interfaces eröffnete. Insgesamt bestätigte sich einerseits die Hypothese, die am Ausgangspunkt des Workshops stand: Interfaces stellen aufgrund ihrer konstitutiven Prozessualität und Performativität einen durchweg problematischen Analysegegenstand dar. Zudem wurde deutlich, dass es heterogene Ansätze gibt, Interface-Geschichten zu schreiben: Ob als Interface-Komparatistik im direkten Versionsvergleich (Distelmeyer), als Ausdruck des bereichsübergreifenden Wandels bestimmter Kulturtechniken (Schemer-Reinhard) oder mit genauem Blick auf die technischen und infrastrukturellen Voraussetzungen ihrer Einsatzfelder und Milieus (Borbach).

Dass und wie Interfaces selbst als Zugänge zu Geschichte fungieren können, wurde im Beitrag Anna Wiehls (Bayreuth) am Beispiel der interaktiven Web-Dokumentation A Short History of the Highrise deutlich, einer synthetisierenden Remediation älterer dokumentarischer Formate, in der die Auseinandersetzung mit einem Archiv von Pressefotos zur partizipativ-interpretierenden Praxis wird und somit das Potenzial hat, dominante Geschichtsbilder zu hinterfragen. Christan Köhler (Paderborn) situierte die immersive Virtual Reality-Produktion Witness: Auschwitz in einem präsentistischen Historizitätsregime (Hartog), innerhalb dessen die Vergangenheit auf eine spezifische Weise mit dem gegenwärtigen Erleben und Empfinden zur Deckung gebracht wird, so dass bereits die virtuelle Teilhabe zur quasi-dokumentarischen Autorisierungsstrategie gerät. In Christoph Ernsts (Bonn) Reflexionen zur Medienästhetik von Augmented Reality-Anwendungen, die in der Vermittlung von Geschichte Verwendung finden, indem sie Vergangenheit und Gegenwart auch räumlich überlagern, tauchte dieses Motiv in einer anderen Variante auf: In dem borgesken Versuch des Zur-Deckung-Bringens von Karte und Territorium, den solche Anwendungen unternehmen, werden vor allem sensorbasierte Interface-Operationen relevant, die sich zwischen Computer und Umwelt schalten, um eine Zeitschichten durchdringende Vergegenwärtigung zu realisieren. An allen diskutierten Beispielen wurde zudem deutlich, dass Interfaces nicht zuletzt mediale Prozesse der Verfügbarmachung des Abwesenden (hier: Vergangenheit) in Szene setzen und damit immer zugleich technische Leistungsfähigkeit ausstellen.

Resümierend lässt sich festhalten, dass das Konzept einer Kooperation zwischen zwei Arbeitsgruppen der GfM insofern aufgegangen ist, dass in der Diskussion gemeinsame Problemstellungen mit vereinter Expertise adressiert werden konnten. Die jeweils spezifischen Erkenntnisinteressen und etablierten Fragenkataloge der AGs Interfaces und Mediengeschichte ließen im Austausch Konvergenzen und Interferenzen zutage treten, die eine weitere Kooperation fast notwendig erscheinen lassen.

Bericht: Timo Kaerlein

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