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Plattform-Politiken 2025 – Zwischen Ästhetik, Ethik und Ökonomie digitaler Interfaces

Am 22. und 23. Mai 2025 fand an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe der Workshop der AG Interfaces statt. Mitglieder der AG sowie an den Themen interessierte Forschende trafen sich dieses Jahr unter dem Oberthema „Plattform-Politiken: Vermittlungen (un)sichtbarer Bildpraktiken und Interface-Operationen“. In vier thematisch strukturierten Panels boten die Teilnehmenden Einblicke in ihre Forschungen entlang der Schnittstellen zwischen Plattformen, digitalen Bildern, Wissenspraktiken und politischen wie ökonomischen Dynamiken. Ein besonderer Fokus lag neben den Vorträgen insbesondere auf dem gemeinsamen Austausch und inhaltlichen Diskussionen, die nicht nur bewusst in den Programmplan eingebaut, sondern auch durch die angenehme Atmosphäre und die Begeisterung aller Beteiligten für die Themen gefördert wurden. Abgerundet wurde der erste Workshoptag durch die Präsentation und Diskussion von Videos zu Data Work. Das Interesse der Teilnehmer:innen am Thema, die intensiven und anregenden Diskussionen und der spürbare Enthusiasmus sorgten zu guter Letzt auch dafür, dass der reservierte Restauranttisch doch noch etwas auf die Teilnehmenden warten musste.

Panel 1 „Ästhetische Politiken“

Lisa Rein eröffnete den Workshop mit ihrem Vortrag „Schöne neue Welt: Zur Beurteilung von Ästhetik durch Datenbanken algorithmischer Bildklassifizierung“, der sich den algorithmischen Bewertung von Bildern auf Plattformen wie Instagram widmete. Anhand von Datenbanken wie AVA oder LAION zeigte der Vortrag, inwieweit ästhetische Werte anhand numerischer Klassifizierungen und konkreter Deutungshoheiten entwickelt werden.  So basieren “Ästhetik-Algorithmen” teils auf spezifischen historischen, technologischen und sozialen Biases, beispielsweise auf Bildern aus den 2000er Jahren, die mit digitalen Spiegelreflexkameras aufgenommen und von weißen männlichen Hobbyfotografen bewertet wurden. Wenn daraus nun Ästhetik-Entscheidungen für gegenwärtige soziale Medien gezogen werden, scheint es nicht überraschend, dass auch postkoloniale Perspektiven und Fragen der Repräsentativität kritisch diskutiert werden. Anhand des mitgebrachten Bildmaterials ließ sich sehr schnell erkennen, dass konkrete Bildtypen – etwa spiegelnde Landschaften mit hohem Blauanteil – bevorzugt besser bewertet wurden. 

In dem zweiten Vortrag des Panels „Simulative Reinigung. ‘Clean-Up Games’, Interface-Effekte und Plattform-Politiken“ ging Katharina Weinstock der Frage nach, auf welche Weise Clean-Up Games, ASMR-Videos und Instagram-Feeds Gewohnheiten formen (können). Basierend auf einem auto-ethnografischen Ansatz zeigte sie, dass affektive Zustände wie Prokrastination oder Überforderung durch visuelle Interfaces in ritualisierte Interface-Handlungen – vom virtuellen Hochdruckreinigen bis hin zu digitalem Aufräumen – überführt werden können. Ihre Beobachtungen verweisen auf ein Plattformdesign, das zwischen Irritation und Kontrolle oszilliert und sich in ganz spezifischen audiovisuell geprägten Game-Praktiken kondensiert, die eine breite Menge an teils mundänen, teils irritierenden Handlungen unter dem Begriff der ASMR Games zusammenführen.

Nachdem zwei sehr konkrete ästhetische Dimension von Interfacepraktiken und -plattformen adressiert wurden, widmete sich das nachfolgende Panel “Politiken des Wissens” zwei weiteren Anwendungspraktiken desselben Diskursfeldes, fokussierte nun allerdings das jeweils in den Systemen implementierte und angewandte ‘Wissen’. 

Panel 2 „Politiken des Wissens“

Kim Albrecht zeigte in seinem Vortrag „Artificial Worldviews“, wie Visualisierungen als kritische Werkzeuge zur Analyse generativer KI genutzt werden können. Durch wiederholtes Prompting, welches schließlich in ca. 1800 API-Anfragen an ChatGPT mündete, generierte Kim etwa  700 Kategorien die sich alle unter den Begriff des Wissens subsumieren lassen. Diese Kategorien überführte er anschließend in ein räumliches Mapping von Verwandtschaftsverhältnissen und Assoziationen, welches sich – ebenso wie das Mapping zum Thema Power, das er auf dieselbe Weise erschuf –  auf seiner Webseite “Artificial Worldviews” anschauen und erkunden lässt. Ein entscheidendes Argument seines Vortrages war, dass solch ein Vorgehen nicht nur potentiell neues Wissen schaffen kann oder entsprechende Visualisierung andere Lesbarkeiten ermöglichen, sondern insbesondere, dass auf diese Weise auch die an sich oft als Black Boxes benannten maschinellen Systeme zugreifbar gemacht werden können. 

Der Vortrag „„Wissen destillieren“. Zu den Plattform-Politiken von Application Programming Interfaces und den Grenzen konzeptuellen Zugriffs auf Künstliche Intelligenz“ von Yannick Nepomuk Fritz knüpfte ebenfalls an die Frage nach Formen der Wissensproduktion an. In seinen Ausführungen beschrieb Yannick KI als ein Medium welches Wissen komprimiert und Outputs dabei zunehmend in neue Inputs überführt. Yannik arbeitete sich in seinem Vortrag an der These ab, dass die epistemische Klarheit verschwimmt und KI so, Ted Chiang folgend,  zum „blurry JPEG of the Web“ würde. Diese Überlegungen exemplifizierte er am  Beispiel der ‚konnektionistischen‘ Funktionsweise von Deep Seek.

Den Abschluss des ersten Tages bildete Panel 3, bestehend aus einem Vortrag von Konstantin Haensch sowie der Diskussion zweier Filmausschnitte über das Leben von Data Workers, mitgebracht und vorgestellt von Jan Distelmeyer.

Panel 3 „Politik und Ökonomie“

Konstantin Haensch analysierte in seinem Vortrag „From Surface to Strategy: The ‘Brand Interface’ and Its Political Economy in Platform Cultures“ das Interface als politischen und ökonomischen Akteur, dessen Oberflächenästhetik mit Markenlogiken verschränkt ist (Trump-Tesla-Musk). Die Marke lässt sich  – so seine These – nicht nur als Logo, sondern als Interface selbst lesen. Sie ist daher ein Ort von Zuschreibung, Kontrolle und Affordanz. Konstantins Vortrag schlug vor, Marken und Interfaces miteinander verschränkt zu diskutieren und dadurch die Kategorien des einen Diskurses auch auf den anderen anwendbar zu machen.

Jan Distelmeyer präsentierte zum Abschluss des Tages zwei Videos zu Data Work aus Perspektive der Arbeiter:innen sowie eines Verbundes an Aktivist:innen des Diskurses. Die Diskussionen entlang der Videobeiträge fokussierten daher nicht allein die Unsichtbarkeit der Arbeit sogenannter Click-Worker,. sondern insbesondere deren konkreten Arbeitswirklichkeiten – von der Arbeit-auf-Zuruf, über die erschwerten Home-Office Bedingungen bis hin zu der Freude und Leidenschaft, die manche Arbeiter:innen an dem Beruf und dessen Tätigkeiten haben.

In einem fließenden Übergang wurden die Diskussionen schließlich von der Hochschule für Gestaltung in ein fußläufig gelegenes Restaurant überführt, in dem der Tag in Ruhe und geselliger Atmosphäre ausklingen konnte.  

Der zweite Tag begann mit einem Rückblick auf die bis dato geführten intensiven und engagierten Diskussionen mit ersten schlaglichtartigen Kommentaren zu bisher offensichtlich gewordenen übergreifenden Interessen, Fragestellungen und Forschungsbereichen.Anschließend führten uns Tatjana Seitz und Pierre Depaz in dem vierten und letzten Panel in konkrete Ebenen der API-Politiken ein.

Panel 4 „API-Politiken“

In beiden Vorträgen standen technische Schnittstellen im Fokus. Tatjana Seitz und Pierre Depaz beleuchteten die Rolle von APIs sowohl aus kritischer, techniktheoretischer Perspektive als auch mit Blick auf ethische Fragen. 

Tatjana Seitz ging in ihrem Vortrag “Critical technical API studies: Eine praxisorientierte Untersuchung von Interfaces”  auf die Steuerung von Nutzerwegen („User Flows“) und Plattformästhetik durch Codepolitik ein. Dabei zeigte sie am Beispiel der Login-Praxis auf Facebook auf, wie der Zugriff auf Daten durch solche Prozesse der Erfahrungsoptimierung als Frage von API-Berechtigungen neu ausgehandelt wird und Benutzer:innen durch Plattformen geleitet werden, ohne allerdings “API Experiences” zu machen. 

Pierre Depaz diskutierte in seinem Vortrag “Pirate Programming Interfaces: Hijacking the stream” Alternativen wie „NewPipe“ als Beispiel für eine politische Intervention durch Interface-Substitution. In seinem Vortrag zeigte er eindrücklich, dass neue Interfaces zugleich stets auch neue Netzwerke und Abhängigkeiten schaffen, die sich auf die jeweilige Nutzung auswirken. “NewPipe” sollte daher nicht allein als Piraterie-Software, sondern auch unter seinen ökonomischen, ethischen sowie technischen Dimensionen betrachtet und analysiert werden. 

Resümee: Interface-Forschung als kritische Forschungspraxis

Der Workshop machte deutlich: Interfaceforschung bedeutet, wechselseitige Relationen ernst zu nehmen – zwischen Mensch und Maschine, zwischen technischer Infrastruktur und ästhetischer Wahrnehmung, zwischen gesellschaftlichen Bereichen (Politik, Wirtschaft) und Organisationen (Unternehmen, politische Träger). In den Diskussionen wurde das kritische Potential der Interfaceforschung immer wieder betont als ein Zugang, der ermöglicht, hinter Blackboxes zu blicken, Prozesse sichtbar zu machen und alternative Handlungsspielräume aufzuzeigen. Sichtbarkeit, Operationalisierbarkeit und Affektsteuerung sind zentrale Kräfte der Plattformisierung – und damit genuin politische Fragen.

Wir hatten nicht nur sehr schöne, angenehme sowie produktive und anregende Diskussionen in den zwei Tagen, sondern sind sicher, dass sich Teile des Austausches in der ein oder anderen Form auch in zukünftige Arbeiten einschreiben werden. Die Vortragenden haben daher die Möglichkeit, Teile ihrer Präsentation auf der Homepage der AG zu veröffentlichen. Damit soll auch die Sichtbarkeit der AG Mitglieder und ihrer Forschungsarbeiten gefördert werden.  

AG-Workshop »Everyday AI: Künstliche Intelligenz in gegenwärtigen Interface-Kulturen«

Workshop, 12.–13. Mai 2023, Bauhaus-Universität Weimar
Veranstaltungsort: Lounge der Universitätsbibliothek, Steubenstraße 6/8, 99423 Weimar

In diesem Jahr tagt die AG Interfaces an der Bauhaus-Universität Weimar. Am 12./13. Mai 2023 treffen sich Wissenschaftler*innen und fokussieren in einem Workshop die zunehmende Veralltäglichung von KI-Technologien und ihre Verschränkungen mit gegenwärtigen Interface-Kulturen.
Das Programm als PDF // Veranstaltungslink der Bauhaus-Universität Weimar // Link zum CfP

Methoden des sogenannten maschinellen Lernens und KI-Systeme sind nicht nur populärer Gegenstand von Science-Fiction-Narrativen, Teil von Experimentalanordnungen in Media Labs oder anzutreffen in hoch professionalisierten Anwendungsbereichen, sondern bereits in zahlreiche kommerzielle Anwendungen implementiert und gehören damit integral zum Alltag gegenwärtiger digitaler Medienkultur.

Ob »smarte« Assistenten wie Google Assistant, Siri oder Alexa, automatisierte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, biometrische Identifizierungstechnologien via Smartphone wie etwa FaceID oder TouchID, Chatbots und textproduzierende KI, KI-basierte Text-zu-Bild-Generatoren wie DALL-E oder Midjourney, KI-basierte Foto- und Videobearbeitungs-Apps oder KI-gestützte Content-Moderation, Ranking- und Selektionsmechanismen auf Social Media-Plattformen – Prozesse des Machine Learning arbeiten mit an der Erstellung, Modifikation, Klassifizierung, Identifizierung, Sortierung, Verteilung oder Sichtbarmachung von Inhalten in kommerziellen Medienumgebungen. Mit dem gegenwärtigen »AI-as-a-Service«-Trend, den große Technologiekonzerne propagieren (u.a. Amazon Web Services, Microsoft Azure, Google Cloud, IBM Cloud, Oracle oder SalesForce), wird es zudem immer einfacher, komplexe KI-Anwendungen wie ANNs (Artificial Neural Networks) in Alltagsanwendungen zu implementieren, ohne diese Tools selbst entwickeln zu müssen.

Interfaces übernehmen in diesem Trend zur »Everyday AI« eine zentrale Vermittlungsleistung, die KI-Technologien in alltäglichen media environments verfügbar und auf spezifische Weise nutzbar und wirksam macht. Ob als User Interface oder als Application Programming Interface (API) – auf allen Ebenen des Stacks sind es Interfaces, die KI für Laienanwender*innen überhaupt erst medienästhetisch erschließen. Diese besondere Rolle von Interfaces und das neue Agens, welches durch KI-Technologien in generative sowie analytische Prozesse der populären Medienkultur eingebracht wird, wird im Rahmen des Workshops aus unterschiedlichen Fachperspektiven diskutiert.

Die Beiträge widmen sich dem Trend zur »Everyday AI«, der Konvergenz zwischen Hochtechnologie und Alltagskultur, indem sie unterschiedliche Anwendungsbereiche in den Fokus rücken, an denen die komplexen Gefüge von menschlichen Praktiken und algorithmischen Prozessen kritisch diskutiert werden. Zudem bietet der Workshop ein Forum, um (medien-)theoretische Konzepte und Begriffe wie Agency, Adaptivität, Affordanzen oder Operativität angesichts aktueller Entwicklungen neu zu befragen.

Konzeption & Organisation: Sabine Wirth (Weimar), Timo Kaerlein (Bochum), Daniel Stoecker (Potsdam), Nicole Schimkus (Potsdam)

Programm

Freitag, 12. Mai 2023

13:00 – 13:15 Willkommensgruß & Einführung

13:15 – 14:35 | Panel 1 | Everyday AI, Corporate Extractivism & Platformization
Moderation: Sabine Wirth
Andreas Beinsteiner (Universität Innsbruck):
Extraktionsinstanzen impliziten Wissens? Über a-priori- und a-posteriori-Grammatisierung in KI-as-a-Service-Interfaces
Inga Luchs (University of Groningen):
Vertex AI – The Platformization of Artificial Intelligence

Kaffeepause

14:50 – 16:10 | Panel 2 | Everyday AI Interactions & the Uncomputable
Moderation: Timo Kaerlein
Robert Rapoport & Vera Tollmann (Leuphana Universität Lüneburg):
The Becalmed Interface: Hidden AR in Videoconferencing
Benedikt Merkle (Bauhaus-Universität Weimar):
Love Probably. GPT-3 und das Spiel mit den Un/Wahrscheinlichkeiten des Symbolischen

Kaffeepause

16:25 – 17:45 | Panel 3 | Everyday AI in Work & Care Environments
Moderation: Nicole Schimkus
Felix Diefenhardt (Vienna University of Economics and Business):
Hiring and Firing in an Age of Smart Machines: HR Dashboards as Interfaces and Managerial Technologies
Mathias Denecke (Ruhr-Universität Bochum):
Datenarbeit im umgebungstechnisch betreuten Wohnen

Kaffeepause

18:00 – 19:30 | Impulses & Discussion | Interface Keywords Revisited
Moderation: Daniel Stoecker
Jan Distelmeyer (Fachhochschule Potsdam/Universität Potsdam): Operativität
Timo Kaerlein (Ruhr-Universität Bochum): Affordanzen
Sabine Wirth (Bauhaus-Universität Weimar): Adaptivität

Ab 19:30 | Gemeinsames Abendessen (Selbstzahlerbasis)

Samstag, 13. Mai 2023

09:30 – 10:50 | Panel 4 | Everyday AI & Popular Screen Cultures
Moderation: Jan Distelmeyer
Kathrin Fahlenbrach (Universität Hamburg):
Automatisiertes World-Feeling. Zur programmierten Poetik immersiver Interface-Umgebungen von Netflix
Olga Moskatova (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg):
Reface the Star: Ästhetik der Personalisierung

Kaffeepause

11:10 – 12:30 | Panel 5 | Everyday AI & Design
Moderation: Nicole Schimkus
Pablo Abend, Tristan Schulze & Amelie Goldfuß (Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle):
Wie gestalten mit KI? Die Frage nach dem Interface als Herausforderung für den Einsatz von KI im Designprozess
Florian A. Schmidt & Sebastian Schmieg (HTW Dresden):
Prompt, click, and hope for the best. Über Wert und Halbwertszeit von Sprache als Interface für Gestaltungswerkzeuge

Ab 12:30 | Gemeinsames Mittagessen (Selbstzahlerbasis) oder Wochenende

Kontakt

Jun.-Prof. Dr. Sabine Wirth
Juniorprofessur Digitale Kulturen
Fakultät Medien
Tel.: +49 (0) 36 43 / 58 37 53
E-Mail: sabine.wirth[at]uni-weimar.de

CfP zum AG-Workshop »Everyday AI«

Everyday AI: Künstliche Intelligenz in gegenwärtigen Interface-Kulturen

12.–13. Mai 2023, Bauhaus-Universität Weimar (Einreichungsfrist: 01.03.2023)
Veranstaltungsort: Lounge der Universitätsbibliothek, Steubenstraße 6/8, 99423 Weimar

Der jährlich stattfindende Workshop der AG Interfaces – einer Arbeitsgruppe innerhalb der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) – fokussiert 2023 die zunehmende Veralltäglichung von KI-Technologien und ihre Verschränkungen mit Interface-Kulturen. Methoden des sog. maschinellen Lernens, welche oft mit dem weiter gefassten und nicht unumstrittenen Begriff der ‚Künstlichen Intelligenz‘ (KI) umschrieben werden, sind nicht nur populärer Gegenstand von Science-Fiction-Narrativen, Teil von Experimentalanordnungen in Media-Labs oder anzutreffen in hoch professionalisierten Anwendungsbereichen, sondern bereits in zahlreiche kommerzielle Anwendungen implementiert und gehören damit integral zum Alltag gegenwärtiger digitaler Medienkultur.

Ob ‚smarte‘ Personal Assistants wie Google Assistant, Siri oder Alexa, automatisierte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, biometrische Identifizierungstechnologien via Smartphone wie etwa FaceID oder TouchID, Chatbots und textproduzierende KI, KI-basierte Text-zu-Bild-Generatoren wie DALL-E oder Midjourney, KI-basierte Foto- und Videobearbeitungs-Apps oder KI-gestützte Content-Moderation, Ranking- und Selektionsmechanismen auf Social Media-Plattformen – Prozesse des Machine Learning arbeiten mit an der Erstellung, Modifikation, Klassifizierung, Identifizierung, Sortierung, Verteilung oder Sichtbarmachung von Inhalten in kommerziellen Medienumgebungen. Mit dem gegenwärtigen „AI-as-a-Service“-Trend, den große Technologiekonzerne propagieren (u.a. Amazon Web Services, Microsoft Azure, Google Cloud, IBM Cloud, Oracle oder SalesForce), wird es zudem immer einfacher, komplexe KI-Anwendungen wie ANNs (Artificial Neural Networks) in Alltagsanwendungen zu implementieren, ohne selbst die Entwicklung dieser Tools zu übernehmen.

Interfaces übernehmen in diesem Trend zur ‚Everyday AI‘ eine zentrale Vermittlungsleistung, die KI-Technologien in alltäglichen media environments verfügbar und auf spezifische Weise nutzbar und wirksam macht. Ob als User Interface oder als Application Programming Interface (API) – auf allen Ebenen des Stacks sind es Interfaces, die KI für Laienanwender*innen überhaupt erst medienästhetisch erschließen. Diese besondere Rolle von Interfaces und das neue Agens, welches durch KI-Technologien in generative sowie analytische Verfahren der populären Medienkultur eingebracht wird, soll im Rahmen des Workshops aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert werden. Dabei können die Gegenstandsbereiche, in denen sich eine Veralltäglichung von KI-Technologien vollzieht und in denen die Frage nach Interfaces verhandelt wird, breit gefächert sein:

  • Autonome Fahrzeuge und Navigationspraktiken
  • Smart Cities, Smart Homes und andere ‘intelligente’ Umgebungen
  • Videoüberwachung und automatisierte (Gesichts-)Erkennung im öffentlichen Raum
  • Emotion Tracking / Affective Computing
  • Robotik im Gesundheitswesen und in der Pflege
  • KI in der medizinischen Diagnostik
  • Intelligent/Virtual Assistants
  • Synthetic Media (beispielsweise KI-basierte Bildgenerierung und -bearbeitung in Bereichen wie Kunst, Animation & Film, Grafikdesign, Stock-Photography oder Foto-Journalismus)
  • Sprach- und Schrifterkennung in kommerziellen Softwareprodukten
  • Digitale Sprach- oder Klangsynthese
  • Language Models und Natural Language Processing (z.B. Chatbots)
  • KI-basierte Mustererkennung in Big-Data-Analysen (z.B. im Rahmen von Social Media-Plattformen)
  • KI-basierte Prognosen und ihre Interfaces (z.B. Verhalten verdächtiger Personen, Wettervorhersage, Aktienkursverläufe, …)

In ‚Everyday AI‘ konvergieren Hochtechnologie und Alltagskultur. Der diesjährige Workshop der AG Interfaces lädt Beiträge ein, die den komplexen Gefügen von Interface-Kulturen und KI-Anwendungen, von menschlichen Praktiken und automatisierten Prozessen nachspüren. Mögliche Fragestellungen können dabei sein: Wie lässt sich die Veralltäglichung von KI-Technologien als Diffusionsprozess oder als widerständige Aneignungsdynamik beschreiben? Welche Fragen nach der Verortung kreativer und kuratorischer Agency werfen populäre KI-gestützte Medienkulturen auf? Welche Ästhetiken und (Im-)Materialitäten gehen mit der Veralltäglichung von KI-Technologien einher und wie wirkt sie sich auf kulturelle und soziale Dynamiken aus? Welche Narrative und Imaginationen drücken sich in den Diskursen rund um Anwendungen von künstlicher Intelligenz aus? Welche Intransparenzen resultieren aus der Verschränkung von Überwachungstechnologien und kommerziellen Software-Produkten? Welche kritischen Reflexionen machen die verschiedenen Ebenen der Einschreibung möglicher Bias beispielsweise in Bezug auf die Reproduktion von Diskriminierung erforderlich? Und auch für die Frage, wie die Zusammenschau dieser beispielhaft aufgezählten, verschiedenen Anwendungsbereiche von ‚Everyday AI‘ ein spezifisches Verständnis ‚intelligenter Umgebungen‘ hervorbringt und damit etablierte medientheoretische Begriffe wie ‚Umwelt‘ oder ‚Milieu‘ neu akzentuiert, soll der Workshop ein Diskussionsforum bieten.

Einreichungen von Nachwuchswissenschaftler*innen und etablierten Forscher*innen sind gleichermaßen willkommen. Reise- und Übernachtungskosten können im Einzelfall übernommen bzw. bezuschusst werden. Vorschläge für wissenschaftliche Kurzvorträge und Präsentationen von künstlerischen oder gestalterischen Projekten sind bis zum 01.03.2023 möglich. Wir bitten um ein kurzes Abstract (ca. 300 Wörter) und eine knappe biographische Information (ca. 100 Wörter) an folgende Emailadresse: sabine.wirth@uni-weimar.de. Sowohl deutsch- als auch englischsprachige Beiträge sind willkommen.

Organisation: Sabine Wirth (Weimar), Timo Kaerlein (Bochum), Daniel Stoecker (Potsdam), Nicole Schimkus (Potsdam)

Der CfP als PDF zum Download

Other(ing) Sensing. Practices, Politics and Ethics of Sensitive Media

2nd conference of the SENSING Research Group, Potsdam
17–18 June 2021, online

Sensing, in its more-than-human, technological, as well as human dimension, is often understood as an element of transmission or connection. It encompasses practices of (ostensibly) making the imperceptible perceivable, of turning formerly opaque processes into data or of ’accessing’ other subjectivities. But as much as sensitive media are an attempt to bridge difference, they are also responsible in the constitution of otherness. Their intention to connect can also turn into a violent erasure of difference. The 2021 conference of the SENSING Research Group at the Brandenburg Centre for Media Studies (ZeM) aims at looking at the practices, politics and ethics of sensing in relation to alterity. How do entities sense one another? What in- and exclusions are constituted through sensitive media? In which ways can sensing become a violent act of appropriation? But also, what is the subversive opening of ’other’ sensing practices?
More info at: http://www.zem-brandenburg.de/en/sensing/conference21.html

Lecture Series „Interface Cultures“ (SoSe 18, Universität Siegen)

Locating Media Lecture Series, University of Siegen, Room AH-217/218, Tuesday (varying times)
http://www.locatingmedia.uni-siegen.de/2018/05/02/locating-media-lecture-series-interface-cultures/

The Locating Media Lecture in the summer semester 2018 addresses the subject of Interface Cultures. It explores the field of interface studies by drawing on a set of different perspectives and projects. It follows the premise that the interface is an ideological construct marked by power relations that one can address theoretically (What does the term ‘interface’ denote? How does one study interface cultures?), historically (Where do interfaces come from? In which contexts have they been deployed?) and/or aesthetically (What regimes of the sensible do interfaces install? How do they structure performances in the sense of action grammars?).

The overarching question of the lecture series is: How can one criticize an interface? What criteria are relevant for this pursuit at all and which methodical and theoretical approaches have been provided towards this goal? As a cultural form, contemporary interface arrangements should be investigated critically with regards to the subject positions they provide for, the actions they afford or discourage, the ways in which they structure people’s access to and perception of computers. Whereas many of these aspects are centered on user interfaces in a narrower sense, the term is also useful to address the operationality of data infrastructures (e.g. APIs, physical infrastructures of the Internet and their various interfaces), and the power relations attached to these.

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Book Launch im Rahmen der transmediale – The Metainterface: The Art of Platforms, Cities, and Clouds

Mit César Escudero Andaluz, Christian Ulrik Andersen, Jan Distelmeyer, Joana Moll, Søren Pold
Moderiert von Jan Distelmeyer

Panel transmediale/festival face value
Fr, 02.02.2018
13:30 – 14:30
Cafe Stage
Free

Das Computer-Interface ist zugleich allgegenwärtig und unsichtbar, in Altagsgegenstände integriert und durch einen verdeckten Informationsaustausch zwischen Objekten gekennzeichnet. Mit der aktuellen Verbreitung von mobilen Geräten, eingebetteten Sensoren, Cloud Services und Datenerfassung entsteht ein neues Interface-Paradigma, bei dem Daten und Software von unseren Geräten in die globale Cloud verschwinden. In ihrem in Kürze erscheinenden Buch The Metainterface: The Art of Platforms, Cities, and Clouds (MIT Press 2018) untersuchen Christian Ulrik Andersen und Søren Bro Pold die Beziehungen zwischen Kunst und Meta-Interface und zeigen auf, wie letzteres alltägliche kulturelle Praxen stört. In dem von Jan Distelmeyer moderierten Panel werden zwei der im Buch vertretenen Künstler_innen, Joana Moll und César Escudero Andaluz, ihre Arbeiten vorstellen; Andersen und Pold werden mögliche Reaktionen auf das Meta-Interface in Kunst und Design diskutieren.
https://2018.transmediale.de/de/program/event/the-metainterface-the-art-of-platforms-cities-and-clouds

International Workshop „Screen Images (Bildschirmbilder) – In-Game Photography and Screenshots as Photographical Praxis“ (Potsdam, 06.-07.07.2017)

Screen-Images (Bildschirmbilder) – In-Game Photography and Screenshots as Photographical Praxis (Potsdam, 06.-07.07.2017)

International Workshop
July 6-7, 2017 in Brandenburg Center for Media Studies (ZeM), Potsdam (Germany)

Starting from the phenomenon of In-Game Photography this workshop investigates the status of the screenshot as a photographical genre which includes but is not limited to computer games. Both, Screen-Photography and In-Game Photography belong to a number of everyday photographical practices that are performed within the digitally produced realities as well as the digitized realities we inhabit and which are largely mediated via screens and screen-like surfaces.
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International Conference: Situation Space. How Spatial Images Define the User’s Disposition (Berlin, 12./13.01.2017)

Situation Space. How Spatial Images Define the User’s Disposition

International conference, January 12th and 13th 2017
Cluster of Excellence Image Knowledge Gestaltung
Sophienstrasse 22a, 10178 Berlin,
Central Laboratory (2nd courtyard, 2nd floor)
www.situation-space-conference.org

Contemporary imaging, sensor and display technologies have turned viewing predominantly into using. Interacting with visual devices and interfaces such as virtual reality headsets, augmented reality apps or navigation systems situate users in space both within and beyond the boundaries of the screen, for instance when playing Pokémon Go on a smartphone, or when superimposing medical images on a patient’s body. Narrative media such as stereoscopic movies, volumetric cameras or curved displays also require a visual practice that spatially aligns image and viewer. In the case of a stereoscopic projection, for example, the spatial impression of the image is most intelligible and convincing if the physical position of the viewer corresponds with the camera-viewpoint.

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Workshop: Immersion – Transition – Figuration. Die neuen Grenzen des Ich

Veranstaltung: Immersion – Transition – Figuration. Die neuen Grenzen des Ich
(Köln, 01.-02.12.2016)
Workshop der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities, Universität zu Köln
Aachener Str. 217 | 50931 Köln | artes.uni.koeln.de
Organisiert von Thiemo Breyer (Köln) und Dawid Kasprowicz (Lüneburg)
Öffentlich. Eintritt frei

Abstract:
Die Vorstellung eines „Eintauchens“ oder gar „Versinkens“ in virtuelle Welten hat unter dem Begriff der Immersion eine abwechslungsreiche Geschichte hinter sich. Sei es das Hineingezogen-Werden in einen virtuellen Bildraum, die Multisensibilität von technischen Endgeräten oder das Versinken des Spielers in Computerspielwelten: Begleitet werden all diese Figuren von einer Steigerungslogik, die immer wieder die Immersion an den Horizont interaktiver Erlebnisse stellt. Im Hintergrund steht die Idee, ein vollständiges Dasein („Presence“) jenseits einer physisch verankerten Realität zu proklamieren. Mit der neuen Ausweitung von Virtual-Reality-Anwendungen im Unterhaltungssektor, wie in diversen Wissenschaften, tauchen immersive Erlebnisse sowohl als empirischer Forschungsgegenstand als auch als dokumentarische Erfahrungsform auf. Sie referieren auf zentrale Bereiche der Identität, der Personalität und nicht zuletzt der Körperlichkeit eines heute noch unscharfen Gegenstandes namens „digitales Subjekt“. Der Workshop will der Frage nachgehen, wie der diffuse Begriff der Immersion inmitten dieser digitalen Wissenskulturen zu positionieren ist.

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Workshop „Screen Operations. Conditions of Screen-based Interaction“

Ort: Berlin

Veranstaltungsort: Sophienstrasse 22a, 10178 Berlin
Central Laboratory (2nd courtyard, 2nd floor)
Veranstalter: Interdisciplinary Laboratory Image Knowledge Gestaltung
Datum: 13.-14. Juli 2016

Screen-based technologies increasingly merge the levels of action and perception. With image production and transmission being possible in real time, screens are no longer spatially fixed and temporally subordinated devices that display static images, but are increasingly integrated into visual practices. The correlation of screen and operation in graphical user interfaces, touchscreens or augmented reality applications, turns the viewer first and foremost into a user. The workshop investigates the relationship of screen and operation in visual culture, interaction and architectural design, computer history, medicine and warfare. We will discuss the aesthetic, epistemic and operational modalities of screen operations in order to trace their political, technological and historical implications.

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