Am 09.06.2017 fand in Bonn der zweite Workshop der AG Interfaces an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität statt. Anknüpfend an den ersten Workshop der AG Interfaces an der Universität Potsdam wurde mit dem Thema ›Interfaces & Implizites Wissen‹ ein Schwerpunkt formuliert, der Fragen des Interface-Designs, der Interface-Politiken und der Interface-Kulturen mit aktuellen Theoriediskussionen in der Medienwissenschaft verbinden konnte.
Neben AG-Mitgliedern waren ReferentInnen und WorkshopteilnehmerInnen aus unterschiedlichen Disziplinen wie der Informatik und der Literaturwissenschaft beteiligt. Insgesamt zehn Vorträge waren in den Panels ›Praxis, Lebensform und Technologie‹, ›Interaktion, Verteilung und Formalisierung‹ und ›Design, Erfahrung und Ästhetik‹ organisiert. Geboten wurde eine Vielzahl von medientheoretischen Erwägungen zur Geltung und zum Bedeutungsumfang des Interface-Begriffs sowie Fallstudien, die verschiedene Typen von Interfaces in sehr unterschiedlichen Anwendungskontexten beleuchteten. Vorgestellt wurden neben Beispielen aus den – für die Interface-Forschung konstitutiven – Feldern wie (Graphical)-User-Interfaces, Game-Controllern oder Wearables dabei auch aktuelle Forschungen zu Interface-Piktogrammen, zur Informationsästhetik von Schrift bzw. Text sowie zu User-Schnittstellen und Sensortechnologien in der Robotik.
In den Diskussionen zeigte sich, dass der Fokus auf implizites Wissen sowohl analytisch als auch theoretisch für die Interface-Forschung außerordentlich fruchtbar ist. Die Zuspitzung auf implizites Wissen, die häufig unter Bezug auf klassische Positionen wie etwa Michael Polanyis Schriften vorgenommen wurde, konnte zeigen, dass eine Reihe von klassischen Attributen von User-Interfaces (etwa Intuitivität) vor dem Hintergrund von Fragen des impliziten Wissens medientheoretisch reformuliert werden können. Gleichwohl wurde auch deutlich, dass derartige Perspektivierungen stark vom jeweils zugrunde gelegten Interface-Begriff abhängig sind. Die Gefahr der endlosen Proliferation des Interface-Begriffs wurde von den ReferentInnen als ein Problem markiert (und dementsprechend angemahnt) sowie – teils unterschwellig, teils programmatisch – durch eine Dynamisierung des Interface-Begriffs im Sinne eines »Interface-Prozesses« (Alexander Galloway, Branden Hookway) kompensiert. Insbesondere für diese zweite – in der zeitgenössischen Forschung sehr gängige, aber auch oft theoretisch unscharfe – Bedeutungsverschiebung des Interface-Begriffs in prozesslogische und praxistheoretische Kategorien erwies sich die Konzentration auf Fragestellungen des impliziten Wissens als ein großer Gewinn.
Widerstreitende Einschätzungen ergaben sich hinsichtlich der Einbindung und Adressierung der menschlichen Kognition, wie sie in verschiedenen technischen Interface-Anordnungen und ihren jeweiligen ästhetischen Inszenierungen zu beobachten sind. Kognitionstheoretische Perspektiven spielen im Feld des Interface-Designs eine sehr große Rolle. Gerade im Zusammenhang des Handelns im Kontext der »operativen Bildlichkeit« von »Interface-Inszenierungen«, wie sie jüngst von Jan Distelmeyer in seinem Buch Machtzeichen – Anordnungen des Computers (2017) formuliert wurde, ergeben sich allerdings weiterführende Probleme hinsichtlich der Verdatung und Verteilung entsprechender impliziter kognitiver Wissensbestände in Computernetzwerken. Als besonders wichtiges Feld wurde in diesem Kontext die Robotik identifiziert, die mit Forschungsprojekten aus dem Bereich der humanoiden Robotik bzw. der Mensch-Roboter-Kollaboration prominent vertreten war. In der zeitgenössischen Robotik-Forschung findet eine Rückübersetzung von ursächlich exklusiv für das personale oder kollektive menschliche Wissen formulierten Theorien des impliziten Wissens in die Programmierung statt – ein Thema, das als ›roter Faden‹ für die medienwissenschaftliche Interface-Forschung in Zukunft noch viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen dürfte.
Unter dem Strich darf festgehalten werden, dass der Workshop einige der Schlüsselfragen der medienwissenschaftlichen Interface-Forschung neu konturieren konnte und auf diese Weise die Relevanz des Interface-Begriffs in den epistemologischen Debatten des übergeordneten medientheoretischen Kontextes nachdrücklich unterstrichen hat.
Christoph Ernst