Konzept

Mit dem Interface-Begriff werden seit den 1950er Jahren diverse Verbindungen und Prozesse bezeichnet, die Computer funktionieren lassen: Verbindungen und Prozesse zwischen Hardware, Software und all jenem, was außerhalb dieser Hardware-Software-Konstellationen damit verbunden ist und in Kontakt kommt, wozu vor allem Menschen gehören. Auch wenn Schnittstellen zwischen Mensch und Technik einen besonders relevanten Teil dieses Komplexes betreffen, kann der Interface-Begriff somit dennoch nicht auf sie reduziert werden. Vielmehr bilden die mannigfachen Vermittlungsprozesse zwischen Hardware und Hardware, Hardware und Software sowie Software und Software die Basis, auf der Mensch-Maschine-Beziehungen (vom Programmieren bis zum Gebrauch als sogenannte „User“) entstehen und produktiv werden.

Auf dieser materiellen und prozessualen Grundlage sind Interfaces zentraler Bestandteil gegenwärtiger Medienkulturen. Interfaces finden sich überall, wo Computertechnik wirkt und vernetzt ist, sowie in besonderer Weise dort, wo zwischen Menschen und ihr vermittelt werden muss – bei Computern verschiedenen Formats, im WWW, an der Spielkonsole, dem Smartphone, dem Dashboard im Auto, gegenüber Verfahren algorithmischer Entscheidungsfindung (aka „Künstliche Intelligenz“) sowie in den mediatisierten Umwelten des Ubiquitous, Pervasive und Affective Computing.

Die AG Interfaces der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) setzt sich zum Ziel, Begriff und Phänomenbereich des Interface für eine medienwissenschaftliche Perspektivierung zu erschließen. Neben der Reflexion der Begriffsgeschichte und der Weiterentwicklung einer Theoretisierung des Interface will sich die AG insbesondere mit der Geschichte verschiedener Interface-Ebenen und -Formationen beschäftigen. Bilden dabei die Gebrauchs-Interfaces der Computergeschichte einen historischen Ausgangspunkt, schließen sich daran die Fragen nach dem Wirken jener weiteren Interface-Ebenen an, die solche Formen von Mensch-Maschine-Beziehungen ermöglichen und intensivieren.

Eine zentrale Fragestellung, die Interfaces in diesem Sinne aufrufen, ist das In-Bezug-Setzen von Mensch und Technik. Als Dispositive des Mediengebrauchs eröffnen und formen Interfaces einen programmierten Raum der Interaktion, an welchen Fragen von Kontrolle, Macht und Herrschaft gestellt werden können. Zur Geschichte von Interfaces gehört neben technischen Entwicklungen somit auch die Geschichte ihrer Bediengesten, der Körpertechniken ihres Gebrauchs sowie der Traditionen ihrer Konzepte und diskursiven Verhandlung. Aktuell ist eine neue Dynamik hin zur Auflösung bzw. Verumweltlichung etablierter Mensch/Welt-Maschine-Interfaces zu beobachten, die neue medienkulturwissenschaftliche Ansätze fordert.

Interfaces lassen sich jedoch nicht nur als Verfahren der (Umgangsweisen mit) Technik beschreiben, sondern auch in ihrer ästhetischen Dimension. Sie unterliegen Regimen der Sichtbarmachung und Unsichtbarmachung, die mit bestimmten Kontrollmöglichkeiten korrelieren und somit Bezüge zu u.a. soziologischen, philosophischen, kunstgeschichtlichen und filmwissenschaftlichen Fragestellungen herstellen. Eine Ausweitung des Konzepts auf nicht-computerbasierte Medien und deren Formen der (visuellen) Anordnung ist denkbar und eröffnet z.B. den Blick auf eine allgemeinere Mediengeschichte von (An-)Zeigeflächen. Allerdings bleibt das Visuelle nur eine Dimension von Gebrauchs-Interfaces – auch andere Sinne und körperliche Modalitäten spielen eine wichtige Rolle: z. B. bei Formen der Sprach- und Gestensteuerung, der tangible interaction, bei auditiven Interfaces und bei Brain-Computer-Interfaces.

Die AG Interfaces versteht sich als Forum des Austauschs und der Vernetzung von Medienwissenschaftler*innen, die sich mit der Geschichte und Theorie von Interfaces befassen. Die Kooperation mit bestehenden GfM-AGs (insbesondere Animation, Auditive Kultur & Sound Studies, Daten & Netzwerke, Games, Mediengeschichte) wird angestrebt und ausgebaut, wobei die inhaltliche Schwerpunktsetzung deutlich von den dort verfolgten Zielsetzungen abweicht. Der Anschluss an die internationale Forschung zu Interfaces ist eines der Kernanliegen der AG. Jährlich stattfindende Workshops zu theoretischen und methodischen Fragestellungen stellen das zentrale Medium der Kooperation dar, ergänzt durch eine Mailingliste, einen AG-Blog und AG-Veröffentlichungen in Fachzeitschriften.

Sprecher*innen der AG Interfaces
Alice Soiné
Daniel Stoecker