Everyday AI: Künstliche Intelligenz in gegenwärtigen Interface-Kulturen
12.–13. Mai 2023, Bauhaus-Universität Weimar (Einreichungsfrist: 01.03.2023)
Veranstaltungsort: Lounge der Universitätsbibliothek, Steubenstraße 6/8, 99423 Weimar
Der jährlich stattfindende Workshop der AG Interfaces – einer Arbeitsgruppe innerhalb der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) – fokussiert 2023 die zunehmende Veralltäglichung von KI-Technologien und ihre Verschränkungen mit Interface-Kulturen. Methoden des sog. maschinellen Lernens, welche oft mit dem weiter gefassten und nicht unumstrittenen Begriff der ‚Künstlichen Intelligenz‘ (KI) umschrieben werden, sind nicht nur populärer Gegenstand von Science-Fiction-Narrativen, Teil von Experimentalanordnungen in Media-Labs oder anzutreffen in hoch professionalisierten Anwendungsbereichen, sondern bereits in zahlreiche kommerzielle Anwendungen implementiert und gehören damit integral zum Alltag gegenwärtiger digitaler Medienkultur.
Ob ‚smarte‘ Personal Assistants wie Google Assistant, Siri oder Alexa, automatisierte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, biometrische Identifizierungstechnologien via Smartphone wie etwa FaceID oder TouchID, Chatbots und textproduzierende KI, KI-basierte Text-zu-Bild-Generatoren wie DALL-E oder Midjourney, KI-basierte Foto- und Videobearbeitungs-Apps oder KI-gestützte Content-Moderation, Ranking- und Selektionsmechanismen auf Social Media-Plattformen – Prozesse des Machine Learning arbeiten mit an der Erstellung, Modifikation, Klassifizierung, Identifizierung, Sortierung, Verteilung oder Sichtbarmachung von Inhalten in kommerziellen Medienumgebungen. Mit dem gegenwärtigen „AI-as-a-Service“-Trend, den große Technologiekonzerne propagieren (u.a. Amazon Web Services, Microsoft Azure, Google Cloud, IBM Cloud, Oracle oder SalesForce), wird es zudem immer einfacher, komplexe KI-Anwendungen wie ANNs (Artificial Neural Networks) in Alltagsanwendungen zu implementieren, ohne selbst die Entwicklung dieser Tools zu übernehmen.
Interfaces übernehmen in diesem Trend zur ‚Everyday AI‘ eine zentrale Vermittlungsleistung, die KI-Technologien in alltäglichen media environments verfügbar und auf spezifische Weise nutzbar und wirksam macht. Ob als User Interface oder als Application Programming Interface (API) – auf allen Ebenen des Stacks sind es Interfaces, die KI für Laienanwender*innen überhaupt erst medienästhetisch erschließen. Diese besondere Rolle von Interfaces und das neue Agens, welches durch KI-Technologien in generative sowie analytische Verfahren der populären Medienkultur eingebracht wird, soll im Rahmen des Workshops aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert werden. Dabei können die Gegenstandsbereiche, in denen sich eine Veralltäglichung von KI-Technologien vollzieht und in denen die Frage nach Interfaces verhandelt wird, breit gefächert sein:
- Autonome Fahrzeuge und Navigationspraktiken
- Smart Cities, Smart Homes und andere ‘intelligente’ Umgebungen
- Videoüberwachung und automatisierte (Gesichts-)Erkennung im öffentlichen Raum
- Emotion Tracking / Affective Computing
- Robotik im Gesundheitswesen und in der Pflege
- KI in der medizinischen Diagnostik
- Intelligent/Virtual Assistants
- Synthetic Media (beispielsweise KI-basierte Bildgenerierung und -bearbeitung in Bereichen wie Kunst, Animation & Film, Grafikdesign, Stock-Photography oder Foto-Journalismus)
- Sprach- und Schrifterkennung in kommerziellen Softwareprodukten
- Digitale Sprach- oder Klangsynthese
- Language Models und Natural Language Processing (z.B. Chatbots)
- KI-basierte Mustererkennung in Big-Data-Analysen (z.B. im Rahmen von Social Media-Plattformen)
- KI-basierte Prognosen und ihre Interfaces (z.B. Verhalten verdächtiger Personen, Wettervorhersage, Aktienkursverläufe, …)
In ‚Everyday AI‘ konvergieren Hochtechnologie und Alltagskultur. Der diesjährige Workshop der AG Interfaces lädt Beiträge ein, die den komplexen Gefügen von Interface-Kulturen und KI-Anwendungen, von menschlichen Praktiken und automatisierten Prozessen nachspüren. Mögliche Fragestellungen können dabei sein: Wie lässt sich die Veralltäglichung von KI-Technologien als Diffusionsprozess oder als widerständige Aneignungsdynamik beschreiben? Welche Fragen nach der Verortung kreativer und kuratorischer Agency werfen populäre KI-gestützte Medienkulturen auf? Welche Ästhetiken und (Im-)Materialitäten gehen mit der Veralltäglichung von KI-Technologien einher und wie wirkt sie sich auf kulturelle und soziale Dynamiken aus? Welche Narrative und Imaginationen drücken sich in den Diskursen rund um Anwendungen von künstlicher Intelligenz aus? Welche Intransparenzen resultieren aus der Verschränkung von Überwachungstechnologien und kommerziellen Software-Produkten? Welche kritischen Reflexionen machen die verschiedenen Ebenen der Einschreibung möglicher Bias beispielsweise in Bezug auf die Reproduktion von Diskriminierung erforderlich? Und auch für die Frage, wie die Zusammenschau dieser beispielhaft aufgezählten, verschiedenen Anwendungsbereiche von ‚Everyday AI‘ ein spezifisches Verständnis ‚intelligenter Umgebungen‘ hervorbringt und damit etablierte medientheoretische Begriffe wie ‚Umwelt‘ oder ‚Milieu‘ neu akzentuiert, soll der Workshop ein Diskussionsforum bieten.
Einreichungen von Nachwuchswissenschaftler*innen und etablierten Forscher*innen sind gleichermaßen willkommen. Reise- und Übernachtungskosten können im Einzelfall übernommen bzw. bezuschusst werden. Vorschläge für wissenschaftliche Kurzvorträge und Präsentationen von künstlerischen oder gestalterischen Projekten sind bis zum 01.03.2023 möglich. Wir bitten um ein kurzes Abstract (ca. 300 Wörter) und eine knappe biographische Information (ca. 100 Wörter) an folgende Emailadresse: sabine.wirth@uni-weimar.de. Sowohl deutsch- als auch englischsprachige Beiträge sind willkommen.
Organisation: Sabine Wirth (Weimar), Timo Kaerlein (Bochum), Daniel Stoecker (Potsdam), Nicole Schimkus (Potsdam)