4. Workshop der AG Interfaces, in Kooperation mit dem SFB 1187 „Medien der Kooperation“
6./7. Juni 2019, Universität Siegen
Der vierte Workshop der AG Interfaces, der als Kooperationsworkshop mit dem Teilprojekt „Navigation in Online/Offline-Räumen“ des SFB „Medien der Kooperation“ in Siegen stattfindet, widmet sich der Zeitlichkeit von Interfaces. Aufgerufen ist damit eine Bedeutungsdimension, die sowohl praktische, ästhetische und historische Aspekte von Interfaces umfasst. Sie steht quer – und hat zugleich Verbindungspunkte – zu der klassischen Fokussierung auf räumliche Fragen des Interface. Ausgehend von der dominanten, sich aber ihrem Ende zuneigenden Wahrnehmung von Interfaces als „Graphical User Interfaces“ (GUIs) liegt eine Erörterung der Zeitlichkeit des Interface insbesondere unter solchen Gesichtspunkten nahe, welche das Thema ‚Zeit‘ als ein Problem der Repräsentation in räumlichen Relationen fasst – also anhand von Metaphern wie zum Beispiel der „Timeline“. Darüber hinaus aber betrifft die Zeitfrage wesentlich grundsätzlicher die Prozessualität und Funktionalität von Interfaces als vermittelnde Instanzen.
Auf dem Gebiet der Human-Computer Interaction und der User Interfaces ergeben sich mit Blick auf haptische, gestische und sprachbasierte sog. Natural User Interfaces (NUI) sowie Brain-Computer Interfaces (BUI) dahingehend neue Fragen, als basale Steuerungen dieser Interfaces auf einem Abgleich zwischen der (nicht explizit repräsentierten) Zeitlichkeit menschlicher Praktiken und der Zeitlichkeit nicht-menschlicher Operationen beruhen. Denkbar ist hier die Erörterung von Beispielen aus ganz unterschiedlichen sozialen und kulturellen Bereichen. Die Spannbreite möglicher Themen umfasst u.a.
- die Koordination und Synchronisierung von Arbeitsprozessen im Rahmen von Computer Supported Cooperative Work, beispielsweise bei Timesharing-Systemen und Cloud-Diensten;
- Games, welche auf einer präsentischen Angleichung der dargestellten Prozesse an menschliche Reaktionsgeschwindigkeiten beruhen;
- Waffensysteme, die so schnell und automatisiert operieren, dass menschliche Entscheidungsmöglichkeiten per Interfaces wieder in die Prozesse eingebaut werden müssen;
- smarte Objekte im Internet of Things, die User*innen auf datengesteuerte Zeitstrukturen und Prozesse ausrichten und takten;
- datenbankbasierte Content-Organisationsformen populärer Apps, deren Zeitstrukturen auf Nutzer*innenpraktiken abgestimmt werden müssen;
- sensorbasierte Mapping-Technologien autonomer Systeme, die „in Echtzeit“ operieren;
- „predictive services“, die die konkreten Aktionen der User*innen virtuell antizipieren, deren Medialität also über die Form einer erwartbaren Zukunft definiert wird.
Um diese Zusammenhänge zu fassen, bietet es sich an, nach historischen und systematischen Voraussetzungen der Zeitlichkeit von Interfaces zu fragen. Dies kann mit Blick auf typische neue Leitmetaphern geschehen, es soll sich aber auch die Gelegenheit bieten, mitunter eher unterbelichtete Begriffe der Interfacetheorie, die temporaler Art sind, zu diskutieren, so etwa die ›Interaktion‹. Medienarchäologische Untersuchungen zur Rolle der Zeitlichkeit in der Geschichte von Interfaces, etwa in der Frühphase des Interface-Begriffs und seiner Bedeutung bei der physikalischen Beschreibung von Strömungs- und Energieverhältnissen, sind genauso denkbar wie systematische Überlegungen zu aktuellen Fragen, z. B. zu Feedbackloops als einer genuinen Form der zeitbasierten Konstitution von Bedeutung, die über die räumliche Repräsentation von Symbolen hinausgeht. Auch dezidiert kultur- und ideologiekritische Fragen, etwa zu Interfaces im Kontext von Überwachungstechnologien und ihrem besonderen Umgang mit Dauer, sind ausdrücklich erwünscht.
Greifbar wird damit auch der Vorteil eines dynamischen Interface-Begriffs, in dem das Interface nicht als Artefakt und Ding, sondern als Prozess gefasst wird. Sind Prozesse per se temporal, so stellt sich das Problem der Zeitlichkeit vor dem Hintergrund eines derartigen Interface-Begriffs neu. Ein prozessuales Interface-Verständnis erlaubt es, konfliktbehaftete und politisch besetzte Fragen der Eigenzeit menschlicher Praktiken gegenüber computerbasierten Infrastrukturen und ihren Effekten für soziale Strukturierungsprozesse zu adressieren. Dies gilt umso mehr, als die Profilierung eines prozessualen Begriffs die infrastrukturelle Erörterung derjenigen Interfaces erforderlich macht, die nicht direkt in die Kategorie der User Interfaces fallen. Zu diskutieren ist in diesem Zusammenhang die generelle Rolle von Interfaces in der Korrelation zwischen individuellen Devices und übergeordneten Serverarchitekturen. Möglich sind aber auch Diskussionen spezifischer Interfaces, etwa Software/Software-Schnittstellen, die allererst die viel beschworene „nahtlose“ („seamless“) Integration von Services erlauben, oder Hardware/Hardware-Schnittstellen, wie etwa der Verbindung von Input-Output-Devices (IO) und Sensortechnologien.
Einreichungen von NachwuchswissenschaftlerInnen und etablierten ForscherInnen sind gleichermaßen willkommen. Reise- und Übernachtungskosten können im Einzelfall (nicht pauschal) übernommen bzw. bezuschusst werden. Vorschläge für wissenschaftliche Kurzvorträge sind bis zum 15.03.2019 möglich. Wir bitten um ein kurzes Abstract (ca. 300 Wörter) und eine knappe biographische Information.
Organisation: Christoph Ernst (Bonn), Timo Kaerlein (Siegen), Sabine Wirth (Marburg)
Kontakt: timo.kaerlein@uni-siegen.de